An dieser Stelle möchten wir eine Auswahl an Ergebnissen aus dem Projekt vorstellen. Dabei stützen wir uns primär auf Ergebnisse der zehnten Befragung (t10) im Jahr 2019 und beziehen außerdem Daten früherer Messzeitpunkte mit ein, um längsschnittliche Entwicklungen aufzuzeigen.
1 Stichprobe
Im Frühjahr 2019 wurde im Rahmen des Projekts Wege im Beruf die zehnte Befragung (t10) realisiert, an der 422 Lehramtsabsolventinnen und ‑absolventen teilgenommen haben. Bemessen an den 977 Teilnehmenden, die sich an der ersten schriftlichen Befragung im Jahr 2000 (t2) beteiligten, entspricht dies einer noch beachtlichen Teilnahmequote von 43.2 %.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind zum zehnten Messzeitpunkt (t10) im Mittel 49.3 Jahre alt. Von den Befragten sind 75.8 % weiblich und 24.2 % männlich.
Im Rahmen des Projekts sind zum einen die berufliche Situation der
Lehramtsabsolventinnen und ‑absolventen sowie zum anderen deren beruflicher Erfolg
von Interesse. Zu beiden Aspekten werden im Folgenden einzelne Ergebnisse präsentiert.
2 Berufliche Situation
Der berufliche Verbleib der Lehramtsabsolventinnen und ‑absolventen gestaltet sich sehr unterschiedlich. So ist ein nicht unerheblicher Anteil der Befragten auch außerhalb des Lehrerberufs tätig. Dies wird in der Abbildung 2 deutlich.
Abbildung 2. Berufliche Situation der Befragten (Angaben in %)
Zum zehnten Befragungszeitpunkt im Jahr 2019 waren 78.9 % der Befragten im Lehrerberuf tätig. Jede bzw. jeder Fünfte (21.1 %) gab hingegen an, einer anderen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Anteil der Lehrpersonen innerhalb der Stichprobe hat folglich gegenüber dem Messzeitpunkt t2 zunächst zugenommen und ist seit t7 vergleichsweise stabil.
2.1 Die berufliche Situation der Lehrpersonen
Ein Großteil der befragten Lehramtsabsolventinnen und ‑absolventen ist zum zehnten Messzeitpunkt (t10) im Schuldienst tätig – im Mittel bereits seit rund 19 Jahren (M = 18.61). Jede bzw. jeder Zehnte (10.5 %) hat die Funktion der Schulleitung inne. Nahezu alle Lehrkräfte (98.8 %) verfügen über ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis. Das Deputat der Lehrerinnen und Lehrer variiert zwischen 2 und 30 Wochenstunden und liegt durchschnittlich bei 21 Unterrichtsstunden pro Woche (M = 20.59), während die mittlere wöchentliche Arbeitszeit rund 36 Stunden beträgt (M = 36.28, Min = 5, Max = 70).
Zum zehnten Messzeitpunkt unterrichten die Lehrpersonen vornehmlich an
Grundschulen (38.5 %), Realschulen (30.0 %) und
Gemeinschaftsschulen (12.8 %). Als Hauptfächer – die Fächer mit dem höchsten Deputat –
werden am häufigsten Mathematik (28.4 %) und Deutsch (26.9 %) genannt. Rund
die Hälfte der Lehrpersonen (53.4 %) unterrichtet in den Klassenstufen 5 bis 9.
Weitere 43.2 % erteilen ihren Unterricht in den Klassenstufen 1 bis 4. Die Jahrgänge 10 bis
13 werden mit 3.4 % am seltensten unterrichtet, nicht zuletzt deshalb, weil die befragten
baden-württembergischen Lehramtsabsolventinnen und -absolventen Pädagogischer Hochschulen kein
Gymnasiallehramt studiert haben.
2.2 Die berufliche Situation der außerhalb des Lehrerberufs tätigen Absolventinnen und Absolventen
Redakteur/-in, Personalreferent/-in, Krankenpfleger/-in, Künstler/-in oder Erzieher/-in: Das sind nur einige der Tätigkeiten, denen die Absolventinnen und Absolventen, die außerhalb des Lehrerberufs tätig sind, im Jahr 2019 nachgehen. Am häufigsten sind die Branchen Sport, Bildung und Freizeit (22.1 %), Verwaltung und Öffentlicher Dienst (19.1 %) sowie Pflege, Gesundheits- und Sozialwesen (11.8 %) vertreten. Die außerschulisch erwerbstätigen Absolventinnen und Absolventen geben an, dass für ihre Tätigkeit eine Hochschulausbildung notwendig (51.5 %) oder zumindest angemessen (25.0 %) sei. Ein Großteil der Befragten verfügt über ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis (86.4 %). Der Arbeitsumfang beträgt durchschnittlich 32 Wochenstunden (M = 32.08, Min = 5, Max = 50), die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit liegt im Mittel bei 35 Stunden (M = 35.06, Min = 8, Max = 60).
Ein nicht unerheblicher Anteil der außerhalb des Lehrerberufs tätigen, kann sich zum zehnten Messzeitpunkt eine (Wieder-) Einstellung in den Schuldienst vorstellen (13.6 %) oder schließt diese Möglichkeit zumindest nicht aus (34.1 %). Der Anteil derjenigen Absolventinnen und Absolventen, welche sich keine (Wieder-) Einstellung in den Schuldienst vorstellen können, ist im Vergleich zum vorangegangenen Messzeitpunkt (t9) von 47.1 % auf 52.3 % gestiegen.
2.3 Berufliche Wege im zeitlichen Verlauf
Wie gestalteten sich die beruflichen Wege der Absolventinnen und Absolventen zwischen den Jahren 2000 und 2019? Zur Beantwortung dieser Frage haben wir die Entwicklungen von t2 im Jahr 2000 über t5 (2008) und t7 (2012) bis hin zum vorletzten Befragungszeitpunkt t10 (2019) betrachtet (Abbildung 3). Von insgesamt 304 Lehramtsabsolventinnen und ‑absolventen liegen zu jedem der Zeitpunkte Informationen zum beruflichen Verbleib vor. Dabei unterscheiden wir einerseits Absolventinnen und Absolventen im Lehrerberuf und andererseits Absolventinnen und Absolventen mit Tätigkeiten außerhalb des Lehrerberufs.
Abbildung 3. Häufigste berufliche Wege im zeitlichen Verlauf (N = 304)
Die Ergebnisse in Abbildung 3 zeigen, dass der Großteil der Teilnehmenden zu jedem der vier Messzeitpunkte ab dem Jahr 2000 im Lehrerberuf tätig war (49.0 %). Ein weiterer Teil ging im Jahr 2000 noch einer anderweitigen beruflichen Tätigkeit nach und ist mit einer Verzögerung in den Lehrerberuf gestartet (22.0 %). Weitere 13.5 % der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer waren hingegen zu den vier Befragungszeitpunkten außerhalb des Lehrerberufs tätig.
Neben diesen vergleichsweise häufig auftretenden beruflichen Wegen zeichnen sich noch andere individuelle Verläufe ab. Aus der Abbildung geht hervor, dass 3.0 % der Absolventinnen und Absolventen zwar eingangs als Lehrperson tätig waren, den Beruf dann aber – nach mehr als 10 Jahren – verlassen haben. Wieder andere gingen nur für eine begrenzte Zeit, hier zum siebten Befragungszeitpunkt im Jahr 2012, einer Tätigkeit außerhalb des Lehrerberufs nach und kehrten im Anschluss in den Lehrerberuf zurück (2.6 %).
Die großen individuellen Unterschiede werden noch deutlicher, wenn man nicht nur vier Messzeitpunkte heranzieht, sondern die Entwicklungen über alle sieben schriftlichen Befragungen bis zum Jahr 2019 betrachtet. Insgesamt lassen sich unter den 219 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, von denen Angaben vorliegen, 29 unterschiedliche Muster beruflicher Wege identifizieren. Dabei zeigen sich bei einigen Lehramtsabsolventinnen und -absolventen häufigere Wechsel zwischen dem Lehrerberuf und anderen Erwerbstätigkeiten. Mehr als ein Zehntel der Befragten, die zum zehnten Messzeitpunkt im Jahr 2019 als Lehrperson arbeiteten, war zwar auch eingangs im Lehrerberuf tätig, ging aber zwischendurch zu mindestens einem Messzeitpunkt einer anderen Tätigkeit nach (12.4 %). Zwischen den sieben Befragungen sind vereinzelt bis zu vier Wechsel zu verzeichnen.
3 Beruflicher Erfolg
Beruflicher Erfolg lässt sich nicht nur anhand objektiver Kriterien, wie z. B. dem Gehalt, dem Beschäftigungsumfang oder dem Berufsprestige festmachen, sondern auch anhand subjektiver Kriterien bestimmen. Zu diesen "weichen" Faktoren von Berufserfolg zählt z. B. das Ausmaß an erlebter beruflicher Belastung.
3.1 Berufliche Belastung
Vielfach wird betont, dass der Lehrerberuf mit einem hohen Belastungserleben einhergeht. Doch wie verläuft die Entwicklung der beruflichen Belastung von Lehrerinnen und Lehrern im Vergleich zu außerschulisch Erwerbstätigen? Und was genau macht den Lehrerberuf für viele so belastend? Im Rahmen unseres Forschungsprojekts wurden die Teilnehmenden gebeten, auf einer siebenstufigen Skala (von 1 trifft überhaupt nicht zu bis 7 trifft völlig zu) anzugeben, wie sehr sie sich durch ihre berufliche Tätigkeit belastet fühlen (z. B. „Ich habe selten das Gefühl, einmal richtig abschalten zu können.“). Betrachtet man die berufliche Belastung aller Lehramtsabsolventinnen und -absolventen zum zehnten Messzeitpunkt (t10), so liegt diese unterhalb des theoretischen Mittelwerts (M = 3.07). Unterscheidet man Lehrpersonen und anderweitig Erwerbstätige, so zeigt sich: Das Belastungserleben der Lehrpersonen (M = 3.12) ist im Vergleich zu den anderweitig Erwerbstätigen (M = 2.88) etwas höher ausgeprägt.
Entwicklung der beruflichen Belastung
Zur näheren Betrachtung der Entwicklung der wahrgenommenen beruflichen Belastung haben wir Daten der Messzeitpunkte t4 (2001) und t10 (2019) herangezogen und dabei die Angaben von jenen, die zu den beiden Messzeitpunkten im Lehrerberuf arbeiteten (N = 229), sowie von Absolventinnen und Absolventen, die zu t4 und t10 außerhalb des Lehrerberufs tätig waren (N = 40), verglichen.
Abbildung 4. Entwicklung der beruflichen Belastung (N = 269)
Abbildung 4 zeigt, dass sich das Erleben der beruflichen Belastung über einen Zeitraum von 18 Jahren bei Lehrpersonen und denjenigen mit einer anderweitigen außerschulischen Erwerbstätigkeit unterschiedlich entwickelt. Die differenzielle Betrachtung beider Erwerbsgruppen macht deutlich, dass Lehrpersonen im Jahr 2001 (t4), zum Zeitpunkt des Berufseinstiegs, über ein deutlich höheres Belastungserleben (M = 3.19) berichten als außerhalb des Lehrerberufs tätige Absolventinnen und Absolventen (M = 2.66). Von Messzeitpunkt t4 zu Messzeitpunkt t10 findet jedoch eine Annäherung des Belastungserlebens in beiden Erwerbsgruppen statt, indem die berufliche Belastung in der Gruppe der außerschulisch Erwerbstätigen ansteigt (M = 3.04), während sie bei Lehrpersonen auf einem vergleichbaren Niveau bleibt (M = 3.13).
Weitere Ergebnisse zur Entwicklung des Belastungserlebens finden Sie in unserer aktuellen Publikation Gut begonnen, halb gewonnen? (Bleck, Weber & Lipowsky, 2019).
Belastende Arbeitsbedingungen von Lehrerinnen und Lehrern
Arbeitsbedingungen, die Lehrerinnen und Lehrer in ihrer alltäglichen Arbeit als besonders belastend erleben (Prompt: Wie belastend sind die folgenden Aspekte für Sie?; Antwortmöglichkeiten von 1 überhaupt nicht belastend bis 7 sehr belastend), sind zum zehnten Befragungszeitpunkt (t10) vor allem arbeitsorganisatorischer Natur. So werden Neuerungen und Veränderungen im Schulsystem (M = 5.02), das Arbeiten unter Zeitdruck (M = 4.90), ein hohes Arbeitspensum (M = 4.77) sowie die gleichzeitige Durchführung mehrerer Tätigkeiten (M = 4.75) von den Lehrpersonen am belastendsten erlebt. Dabei zeigen weitere Ergebnisse aus dem Projekt, dass vor allem solche Stressoren längerfristig für das Belastungserleben relevant zu sein scheinen, welche durch außerhalb des eigentlichen Unterrichts liegende Tätigkeiten entstehen (z. B. Neuerungen und Veränderungen im Schulsystem, Verwaltungstätigkeiten sowie die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts).
3.2 Das Erleben von Freude und Begeisterung im Lehrerberuf
Während die berufliche Belastung mit ungünstigen motivationalen und emotionalen Prozessen verbunden ist, beschreibt der Lehrerenthusiasmus den Spaß und die Freude im Lehrerberuf. Die Lehrpersonen, welche zum zehnten Messzeitpunkt (t10) an der Befragung teilgenommen haben, wurden auf einer siebenstufigen Antwortskala (von 1 trifft überhaupt nicht zu bis 7 trifft völlig zu) zum einen nach dem Erleben von Spaß und Freude beim Unterrichten (Beispielitem: „Ich genieße es wirklich zu unterrichten.“) sowie zum anderen nach der Begeisterung bei der Auseinandersetzung mit den Inhalten ihres Unterrichtsfaches (Beispielitem: „In meinem Fach blühe ich so richtig auf.") befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass der Spaß und die Freude – trotz der Vielzahl an belastenden Faktoren – zum zehnten Messzeitpunkt, nach rund 20 Jahren im Beruf, noch hoch ausgeprägt sind. Dabei fällt die Freude am Unterrichten (M = 4.91) höher aus als die Freude am Fach (M = 4.77).
Weitere Analysen verdeutlichen, dass sich Lehrerinnen (M = 4.74) und Lehrer (M = 4.87) in ihrem Enthusiasmus für das Fach nicht bedeutsam unterscheiden. Jedoch deuten sich für den Enthusiasmus für das Unterrichten leichte Differenzen an: Die Lehrerinnen in der Stichprobe (M = 4.99) berichten, mehr Freude bei der Interaktion mit den Schülerinnen und Schülern zu erleben als die männlichen Lehrkräfte (M = 4.60). Mit Blick auf das studierte Lehramt bestehen lediglich in der Begeisterung für das Unterrichtsfach bedeutsame Unterschiede, nicht jedoch in der Begeisterung für das Unterrichten. Diejenigen Lehrkräfte, die Realschullehramt studiert haben (M = 5.10), weisen eine höhere Begeisterung für das Fach auf als diejenigen Absolventinnen und Absolventen mit Grund- und Hauptschullehramt (M = 4.54).
Entlang der vorliegenden Daten kann auch die Entwicklung des Lehrerenthusiasmus nachgezeichnet werden. In Abbildung 5 ist die Entwicklung vom siebenten Messzeitpunkt (2012) zum zehnten Messzeitpunkt (2019) getrennt für den Enthusiasmus für das Unterrichten sowie den Enthusiasmus für das Fach dargestellt (N = 232). Die Ergebnisse zeigen, dass der Enthusiasmus für das Unterrichten über den betrachteten Zeitraum von 7 Jahren stabil geblieben ist (Mt7 = 4.88; Mt10 = 4.90). Dagegen ist der Enthusiasmus für das Fach von t7 (M = 4.96) zu t10 (M = 4.79) leicht gesunken.
Abbildung 5. Entwicklung des Lehrerenthusiasmus (N = 232)
Insgesamt gilt der Enthusiasmus als ein wichtiges Merkmal von Lehrpersonen. Dabei wird insbesondere dem Enthusiasmus für das Unterrichten eine hohe Bedeutung für das Erleben, aber auch das Verhalten im Beruf zugeschrieben. Doch wie wirkt sich der Lehrerenthusiasmus auf die wahrgenommene Begeisterung aus Sicht der Schülerinnen und Schüler sowie auf ihre Lernfreude aus? Ergebnisse hierzu liefert unsere Vertiefungsstudie (t8), im Rahmen derer nicht nur 47 Lehrkräfte, sondern auch von ihnen unterrichtete Klassen mit insgesamt rund 1.000 Schülerinnen und Schülern befragt wurden. Eine verständliche Zusammenfassung der Ergebnisse liefert das nachfolgende Video.
Zusammenfassend zeigt sich, dass das berufliche Erleben der Lehrkräfte auch für das Erleben der Lernenden bedeutsam ist: Der von Lehrkräften erlebte Enthusiasmus beeinflusst, wie enthusiastisch die Schülerinnen und Schüler die Lehrkräfte einschätzen und diese Schülereinschätzungen wirken sich wiederum auf die Lernfreude der Lernenden im Unterrichtsfach aus.